Roland Marske

In der Welt zu Hause, in Berlin daheim…

Roland Marske

Nach einer einjährigen Reise mit einem alten VW-Bus durch den Orient, war auch ich mit dem Reisevirus infiziert – und damit wieder eine geplante Lehrerkarriere vorbei. Anfangs versuchte ich noch, mein Studium der Geographie und Politikwissenschaften mit meinen Reisen in Einklang zu bringen, doch dann kam die Idee, mit Dia-Vorträgen das Geld für die nächste Reise zu verdienen. Aus dieser Idee wurden bundesweite Vortragstourneen. Die Vorträge entwickelten sich zu ausgefeilten Multi-Visions-Shows, die nicht nur beim Vortragspublikum großen Anklang fanden. Auch Reisemagazine, Verlage und Bildagenturen wurden auf meine Arbeit aufmerksam.

Es folgten Veröffentlichungen bei fast allen renommierten deutschsprachigen Reisemagazinen, Bildillustrationen von Reiseführern, Kalendern und Vieles mehr. Ich konnte das Reisen endgültig zum Beruf machen! Über all die Jahre hat sich für mich beruflich und privat natürlich viel verändert. Nach wie unverändert ist jedoch meine uneingeschränkte Reiselust und vor allem die Faszination für die Fotografie.

So, wie andere ihre Erlebnisse und Emotionen im Tagebuch in Worte fassen, ist die Kamera mein Medium, erlebte Momente nicht nur zu dokumentieren, sondern sie auch so festzuhalten, dass mit einem einzigen Bild, mit einer einzigen Momentaufnahme sofort die gesamte Geschichte hinter dem Bild präsent ist und mich emotional noch einmal zum Ort seiner Entstehung mitnimmt. Multimedial für große Bühnen aufbereitet, kann ich dann auch meinem Publikum diese Illusion vermitteln und sie an meinen Emotionen teilhaben lassen.

Mein Erfolg wäre nicht möglich gewesen ohne ein engagiertes Team von Freunden, allesamt Fotografen, Journalisten und Profis aus anderen Bereichen, die ich unter dem Markenzeichen „Jules Verne“ um mich versammeln konnte. Sie alle tragen mit ihrem Können und ihrem Engagement dazu bei, dass ich meine Multi-Visionen über die schönsten und interessantesten Regionen der Erde inzwischen mit ebenso großem Erfolg auch in den USA und Kanada zeige.

Fotografischer Werdegang

Ganz sicher haben meine Eltern nicht geahnt, welch großartiges Geschenk sie mir machten, als ich zu meinem zehnten Geburtstag meine erste Kamera bekam. Es war eine bedienungsfreundliche, simple Agfa-Ritsch-Ratsch-Pocketkamera.

Man sagt mir nach, dass ich schon immer ein künstlerisch begabtes Kind gewesen sei. Ich habe extrem viel gemalt, war aber nie wirklich zufrieden mit meinem Werk. Es gelang mir einfach nicht, Motive mit Filzstift oder Tusche perfekt so darzustellen, wie sie in Wirklichkeit waren. Man sah jedem Bild die ungeübte kindliche Handschrift an. Daher gab mir das Malen eigentlich nichts.

Als ich kurze Zeit später die Kamera das erste Mal auf Klassenfahrt nach Zwiesel im Bayrischen Wald ausprobieren konnte, ahnte ich noch nicht, welche neuen Möglichkeiten sich mir damit boten. Von „Fotografie“ zu reden wäre an dieser Stelle zu hochtrabend. Ich habe geknipst. Doch ich war begeistert, als ich meine ersten selbst aufgenommen Fotos entwickelt sah. Zu jedem der bunten Bildchen konnte ich meine Erlebnisse viel plastischer erzählen – aber von selbst erzählten die Bilder bisher nur die Geschichte des kleinen Jungen mit der Kamera, der sich über das Lob der Erwachsenen zwar freute, der aber auch selbst sein größter Kritiker war und realistisch genug war um einzuschätzen, dass er noch weit von guten Bildern entfernt war. Aber ich hatte Ehrgeiz.

Für die nächste Reise schwatzte ich meinem Vater eine von seinen Spiegelreflexkameras ab. Es war schon damals ein uraltes Modell von Exa, mit Standardbrennweitenobjektiv und ohne Belichtungsmesser. Aber: Es war eine richtige Kamera. Für jedes Foto musste die passende Blende und die richtige Belichtungszeit eingestellt werden. Dad weihte mich mit simplen Pi-mal-Daumen-Regeln in die ersten Geheimnisse der Fotografie ein: „Bei Sonne, kurze Verschlusszeit, kleine Blende. Mit einer 250stel / 8,0 liegste immer richtig. Wenn’s regnet, längere Verschlusszeit, große Blende. Fertig“. Ich fand das gar nicht so simpel.

Warum, verdammt noch mal, werden die Zahlen auf dem Blendenring am Objektiv immer größer, je weiter ich die Blende schließe? Vier ist größer als Acht. Häh? Da bewahrheitete sich mal wieder die gute alte Volksweisheit von der Übung, die den Meister macht.

Den Eltern wurden die Foto-Ambitionen ihres Sprösslings schnell zu teuer und ich musste Filme, Entwicklung und Abzüge vom Taschengeld bezahlen. Auf einen Film passten 36 Bilder, wenn man ihn sehr geschickt in die Kamera legte auch 38. Vor allem die Abzüge waren teuer, jedenfalls für die Wirtschaftskraft eines Schülers. Ich war also gezwungen nicht mehr wild in der Gegend herumzufotografieren und misslungene Bilder einfach wegzuschmeißen, sondern mir sehr genau zu überlegen, was ich fotografieren wollte, wie ich das Bild optimal umsetzen konnte und wie ich die Kamera richtig bedienen musste. So vollzog sich der schleichende Übergang vom willkürlichen Knipsen zum bewussten Fotografieren.

Mein Auge wurde immer geschulter und auch die Technik beherrschte ich bald souverän.

Ich war absolut begeistert, welche Ausdrucksmöglichkeiten sich mir mit der Fotografie aufgetan hatten und ich bin fest davon überzeugt, dass ich von den Erfahrungen, die ich damals sammelte, bis heute profitiere.

Mit der alten Exa meines Vaters gelangte ich schnell an Grenzen. Ich hatte keine Wechselobjektive, keinen Blitz und überhaupt: Ich wollte nicht Vaters abgelegte alte Nachkriegskamera, sondern eine eigene, neue Kamera mit allem technischen Schnickschnack, um meine Kreativität voll ausleben zu können. Doch ich musste mich bis zu meiner Konfirmation gedulden. Mit den Geldgeschenken der wohlwollenden Verwandschaft konnte ich mir dann den Traum erfüllen: eine Spiegelreflexkamera von Canon, meine A1 mit mehreren Objektiven und Blitz. Für Canon hatte ich mich rein pragmatisch entschieden. Schwager und Onkel besaßen ebenfalls eine Kamera dieses Herstellers und ich durfte mir eine ganze Reihe an Objektiven und Zubehör immer mal wieder ausborgen. Mein Onkel besaß zum beispiel ein Ultra-Weitwinkel Fisheye-Objektiv und hochbrennweitige Teleobjektive. So konnte ich mit Equipment experimentieren, dass ich mir nie selbst hätte leisten können.

Fortan fotografierte ich nicht nur auf Reisen, sondern auch im Alltag. Überall boten sich spannende Motive. Ich begann mit der Kamera zu experimentieren: Kann ich einen Schuss durch einen Apfel im Bild einfrieren? Kann ich mit Mehrfachbelichtungen eine ganze Bewegungsfolge einfangen? Ich übte mich im indirekten Blitzen und in Lichtführung. Ich erprobte mit Schwarz-Weiß-Fotografie und lernte selbst zu entwickeln.

Mit 16 unternahm ich meine erste Sommerferienreise ohne Eltern. Mit zwei Freunden brach ich zu einer Fahrradtour durch die Niederlande, Belgien und Luxemburg auf. Im Jahr darauf ging es in ähnlicher Besetzung nach England, Schottland und Irland.

Die Kamera war natürlich jedesmal mit dabei. Meine Fotos zeigten nun schon, immer mit Bezug zur Realität, nicht nur die touristischen Höhepunkte meiner Reisen, sondern insbesondere auch die Menschen, denen ich unterwegs begegnete und die zunehmend vor dem Auge meiner Kamera, im alltäglichen Leben auf der Straße, am Arbeitsplatz oder in der Familie als Hauptdarsteller fungierten – mit der Natürlichkeit des Moments, ohne aufdringlich oder voyeuristisch zu sein.

Ich hatte inzwischen auch die Erfahrung gemacht, mit Bildern und meinen Reiseerlebnissen Zuhörer begeistern zu können. Und ich liebte es, sie an meinen Erlebnissen teilhaben zu lassen. Zugegeben, da mein erstes Publikum aus Familienmitgliedern und Freunde bestand, waren mir diese wohlgesonnen. Ich erkannte, dass der Darbietung meiner Präsentation mit liebevoll gestalteten Fotoalben doch enge Grenzen gesetzt waren. Ich beschloss, auf Dia-Fotografie umzusteigen und künftig meine Bilder so groß wie möglich, von der Zimmerdecke bis zum Boden, zu projizieren. Ziel war, in kinoähnlicher Atmosphäre mein Publikum mit meiner Vorführung so zu fesseln, dass der für häusliche Diaabende typische unbeobachtete Griff zu den Salzstangen ausblieb.

Mein erster « richtiger » Vortrag, über den ich mir auch konzeptionell Gedanken gemacht hatte und für den ich explizit fotografiert hatte, war ein politisches Thema. Ich fotografierte die Stätten des Faschismus in Berlin, um gegen den latenten Neofaschismus zu mahnen. Aufgeführt habe ich diesen Vortrag genau drei mal, in der Schule und in einem katholischen Jugendzentrum. Aber immerhin. Ich bekam viel Applaus. Die anschließenden Diskussionen zeigten mir, dass ich mit meiner Arbeit Menschen berühren konnte. Das empfand ich als wunderbare Anerkennung meiner Fotografie.

Reisen habe ich schon immer geliebt. Ob mit der U-Bahn von Alt-Mariendorf nach Wedding, wo ich ein paar Nächte bei der Oma übernachten durfte, die Besuchsreisen zur Verwandschaft in die DDR oder den jährlichen vierzehntägigen Sommerurlaub mit den Eltern.

Die spannendste Reise meiner Jugendzeit ging nach Marokko. Zwei Wochen Agadir-pauschal, aber mit einigen Tagesausflügen, bei denen ich der Faszination des Orients unterlag.

Nach dem Abitur kaufte ich, zusammen mit meiner damaligen Freundin, von dem Geld, das unsere Omas eigentlich für unsere Ausbildung angespart hatten, einen betagten knallgelben VW-Bus. Statt unser Studium zu beginnen, brachen wir zu einer Reise auf, die uns ein Jahr lang durch den Orient und rund um das Mittelmeer führen sollte. Im Gepäck hatten wir 100 Diafilme – mehr, als ich in meinem Leben jemals zuvor belichtet hatte. Danach war klar, dass Reisen auch in Zukunft wichtiger Teil meines Lebens sein würde. Den Gedanken, meine beiden großen Leidenschaften, die Fotografie und Reisen, zu einer Profession zu verbinden, hatte ich damals allerdings noch nicht und so begann ich brav, nach zwei verwirrenden Semestern Zahnmedizin, mein Studium der Geografie und Politikwissenschaften an der FU Berlin.

Das Studium dauerte 29 Semester. Denn es folgten, nun in den oft sehr großzügig von uns ausgedehnten Semesterferien, Reisen in alle Teile der Welt, nach Indonesien, China, Ägypten, Island, Amerika, Türkei, Griechenland und Skandinavien. Mit jeder Reise wurde meine Fotografie besser.

Die Reisen, das Auto, Kameras und Zubehör waren teuer. Doch statt schnell das Studium zu beenden und endlich eine respektable Lohnerwerbstätigkeit anzunehmen, jobbte ich in einem Globetrotterladen. Der Besitzer hatte mich angeworben, als ich als Kunde vor ihm stand und er merkte, dass dank meiner vielen sehr unterschiedlichen Reisen auch viel Ahnung von Reiseequipment hatte. Der Laden hatte neu aufgemacht, der Besitzer kaum Ahnung und noch weniger Leidenschaft für das Globetrotten, und so bot er mir an, gegen ein kleines Festgehalt und eine kleine Umsatzbeteiligung bei ihm einzusteigen. Das war genau nach meinem Geschmack und in kürzester Zeit hatte ich den Laden so umgekrempelt, dass er richtig gut lief und die « kleine » Umsatzbeteiligung bald richtig fett wurde. Geholfen hat die Wende, denn die neue Reisefreiheit brachte natürlich auch eine immense Nachfrage nach Rucksäcken, Zelten, Schlafsäcken und Funktionsbekleidung mit sich. 

Endlich hatten wir auch immer genug Geld für unsere Reisen und die Fotografie. Und so konnten wir noch weiter weg und noch länger bleiben! Nur die mitgebrachten Bilder projizierten wir noch immer mit dem einfachen, wenig lichtstarken Diaprojektor aus dem elterlichen Haushalt. Der Beschluss, uns richtig gute Projektoren zu kaufen, mit denen wir die Bilder ineinander überblenden konnten, und - wenn schon denn schon - dazu eine leistungsstarke Tonanlage mit satten Bässen, um O-Töne, Interviews und Musiken aus unseren Reiseländern einzuspielen, sollte unser Leben verändern. Selbst mein für einen Studenten beachtlicher Verdienst aus dem Globetrotterladen reichte dazu nicht. Und so kam uns nach dem Besuch eines Dia-Vortrages die Idee, ebenfalls durch öffentliche Vorträge das Geld zu verdienen, das wir brauchten, um unsere neue Technik und (so unsere heimliche Hoffnung) auch unsere Reisen, unser Studium und vielleicht sogar unseren gesamten Lebensunterhalt damit zu finanzieren.

Meine Freundin war ein geniales Organisationstalent. Während ich den künstlerischen Part übernahm und unsere ersten beiden Shows produzierte, organsierte sie erste Veranstalter, sogar erste Werbepartner und für die Wintersemesterferien eine erste kleine Tournee durch Deutschland. Wir mieteten Vortragssäle, druckten Plakate, die wir selbst plakatierten und übernachteten bei Freunden, um Hotelkosten zu sparen. Die Themen unserer ersten beiden Vorträge: Indonesien & Malaysia und China.

Premiere war natürlich in Berlin, im großen Audimax der Technischen Universität. Wir schafften tatsächlich, den Saale etwa zur Hälfte zu füllen und auch der Rest der Tournee lief so gut, dass wir nicht nur unsere Technik damit finanziert hatten, sondern sogar noch einen Überschuss erzielen konnten. Dennoch waren wir ein kleines bisschen enttäuscht. Wir hatten sehr viel Arbeit in die Verwirklichung unserer Idee gesteckt, aber die Säle nicht ganz fülle können. Beim dem Vortragskollegen, der uns dazu inspiriert hatte, war der Saal überfüllt. Irgendwas machten wir also noch falsch.

Ein Jahr und zwei weitere Reisen später hatte ich meinen Job im Globetrotterladen aufgegeben. Entweder oder. Studieren, Reisen und zwei Jobs, und das alles mit voller Leidenschaft, ging einfach nicht. Wir setzten auf volles Risiko. Wir hatten gründlich die Erfahrungen der vorangegangenen Tournee analysiert. Mit unseren neusten Shows über Island und über den Orient gingen wir wieder auf Tournee. Diesmal mit noch mehr Veranstaltungen – und mit noch mehr Erfolg. Der TU-Audimax mit immerhin 1.200 Plätzen war ausverkauft, wir mussten 500 Leute nach Hause schicken und wiederholten den Vortrag zwei Wochen später noch einmal.

Danach entwickelte sich fast ein Automatismus. Die eine Hälfte des Jahres reisten wir, die andere Hälfte produzierten wir neue Shows und gingen wieder auf Tournee. Mit unseren Shows über Schottland und Irland spielten wir fast überall vor ausverkauftem Haus.

Während meine Freundin nach ihrem Studium die Vortragsreisen an den Nagel hängte und nach Großbritannien zog, beschloss ich, das Reisen und die Fotografie endgültig zu meinem Beruf zu machen. Ich vereinte unter dem Namen « Jules Verne » ein Team von Experten, die mit mir die Begeisterung für Reisen, für Fotografie und für das Medium Multi-Vision teilen und ihre Kenntnisse und Fähigkeiten in meine Projekte einbrachten. Ich mache, bis heute, vieles selbst, einfach weil mir diese Vielseitigkeit meiner Arbeit ungemein viel Spaß macht. Aber ich genieße es auch, mit Profis zusammenzuarbeiten, mit Experten auf ihrem Gebiet. Das bringt viel kreativen Input und letztendlich auch Zeitersparnis für mich. So habe ich Unterstützung bei der digitalen Bildbearbeitung, dem Bildverkauf, der Werbung, der Webseite oder dem Marketing - Freunde, die sich mit viel Engagement einbringen und einen Pool von Reisepartnern mit ebenso großer Leidenschaft für neue Abenteuer und professioneller Arbeit vor Ort.

Derart gut aufgestellt, bekam Jules Verne die ersten Aufträge: zum Beispiel eine Produktion für das Ungarische Fremdenverkehrsamt mit einer anschließenden bundesweiten Vortragstournee oder die Bebilderung verschiedener Reiseführer. Ein großer Reiseveranstalter schickte mich für mehrere Wochen nach Ägypten, um dort für seinen Katalog zu fotografieren. Immer weitere Tätigkeitsbereiche kamen hinzu, zum Beispiel die Produktion von Videos und später DVDs. Nebenbei kamen auch immer wieder Aufträge aus den klassischen Tätigkeitsbereichen des Fotografen, wie das Fotografieren von Hochzeiten, was ich immer wieder sehr gerne mache.

Anfangs koordinierte ich alle unsere Tätigkeiten vom Dachboden des elterlichen Reihenhauses in Berlin-Lichtenrade, das ich irgendwann ganz übernahm. Doch auch auf ein ganzes Haus verteilt, reichte der Platz für Büro, Studio, Archiv und Lager schließlich nicht mehr. Inzwischen konnte ich mit neuen Räumlichkeiten in Berlin-Köpenick endlich auch ein Ton-Studio, ein Foto-Studio und einen Kinoraum einrichten. Hier haben wir nun auch die Möglichkeit, selbst Fotoshootings und Fotoseminare anzubieten.

Der Kern meiner Arbeit ist und bleibt aber das Reisen und die Reisefotografie.